F a c h a r b e i t[ 1995 ]
Das Unterstützungskommando
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Nachtrag Juni 2022:
FÜNFTEN SEKTION am EUROPÄISCHEN GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE, Hiernach führte der konkret angegriffene Einsatz behelmter und ungekennzeichneter Polizist_innen des Unterstützungskommandos der bayerischen Landespolzei dazu, "[...] dass es keine effektiven Ermittlungen gegeben hat, weil der Einsatz behelmter Polizeibeamter ohne Kennzeichnung und die daraus für die Ermittlungen resultierenden Schwierigkeiten nicht hinreichend durch gründliche Ermittlungsmaßnahmen ausgeglichen wurden. Daher befindet der Gerichtshof, dass Artikel 3 der Konvention in verfahrensrechtlicher Hinsicht verletzt worden ist." [ebenda, Rz. 103] |
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Inhaltsverzeichnis:1. Hilfestellungen des Innenministeriums1.1 Briefwechsel und Schwierigkeiten mit Einsatzweisern des USK im Innenministerium bei den Recherchen2. Das Unterstützungskommando2.1 Entstehungsgeschichte und Bildung des USK2.1.1 Einsatz des EbLT in Wackersdorf2.1.2 Briefwechsel zwischen Vogler und Dr. Gauweiler2.1.3 Pressekonferenz Gauweilers am 05.11.872.1.4 Informationsreise von Vertretern des StMI nach Berlin2.1.5 Interview mit Dr. Peter Gauweiler am 24.11.872.1.6 Pressevorführung des USK durch Gauweiler am 03.02.882.2 Strukturierung2.3. Ausbildung und Ausrüstung2.3.1 Auswahlverfahren zur Aufnahme2.3.2 Taktische, kampftechnische, psychologische und ideologische Ausbildung2.3.3 Ausrüstung sowie passive und aktive Bewaffnung2.4. Rückblick auf das Einsatzgeschehen2.4.1 Einsatz bei der Demonstration am 14.10.88 in Wackersdorf2.4.2 Einsatz innerhalb des Streifendienstes am 14.12.892.4.3 Einsatz bei der Demonstration am 16.11.91 in München2.4.4 Einsatz bei einer Veranstaltung gegen den WWG am 04.05.922.4.5 Einsatz beim Gegenkongreß zum WWG am 03.07.922.4.6 Presseberichte über Einsätze beim WWG am 04.07.922.4.7 S-Bahn-Patrouillen in den Jahren 1992/19932.4.8 Einsatz auf der Demonstration am 31.05.93 in Aschaffenburg3. Kritischer Ausblick |
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1. Hilfestellungen des Innenministeriums1.1 Briefwechsel und Schwierigkeiten mit Einsatzweisern des USK im Innenministerium bei den RecherchenIm Verlauf der Recherchen für diese Facharbeit schrieb ich, nach einem vorangegangenen Telefonat, einen Brief an einen Einsatzweiser des USK im Staatsministerium des Innern. Obwohl ich (zugegebenermaßen nicht ganz wahrheitsgemäß) schrieb, daß ich später selbst in den gehobenen Polizeidienst eintreten wolle und mich deshalb das Thema nicht nur in Bezug auf meine Facharbeit interessieren würde, sondern mir darüber hinaus auch Hilfestellung bei meiner späteren Berufswahl geben könne, erzielte ich selbst hiermit nicht den von mir erwarteten Erfolg: Als Rückantwort erhielt ich lediglich einen kurzen, nichtssagenden Brief, dem eine für mich nicht verwertbare Information zu meinem Thema als Anlage beigefügt war. Als Begründung für die Informationsverweigerung wurde ausgeführt: "Darüber hinausgehende Einzelheiten im Hinblick auf die Spezialeinheiten der Bayer. Polizei können wir aus einsatztaktischen Gründen nicht bekanntgeben." Damit wollte ich es jedoch nicht bewenden lassen. Deshalb rief ich erneut an, um die genaue Bedeutung der Formulierung "aus einsatztaktischen Gründen" zu erfragen. Mit wenigen Worten wurde mir verklausuliert klar gemacht, daß ich selbst wohl besser "aus einsatztaktischen Gründen" so schnell nicht mehr den "Behördenweg" bei der Recherche einschlagen sollte. Es erschien mir durch die Aussage des Sachbearbeiters naheliegend, daß inzwischen Erkundigungen, bei wem auch immer, über meine Person eingezogen worden waren. In diesem Zusammenhang sei aber auf die enge, in der Praxis bestehende Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizeistaatsschutz verwiesen, auf die in Punkt 2.3.3 noch weiter eingegangen wird. Zusammenfassend zur Recherchearbeit zu dieser Facharbeit muss daher festgestellt werden, dass das StMI als zugleich polizeiliche und politische Institution anscheinend kein allzu großes Interesse an einer tiefergehenden Analyse des USK und der damit verbundenen Herausgabe von Materialien über dieses Thema hat. Ob dies wohl an einem möglicherweise "paramilitärischen, schlägertruppenhaften" Charakter des USK liegt, wie es in einem von der Main-Post veröffentlichten Leserbrief [1] fast gleichlautend heisst, vermag noch nicht festgestellt zu werden. Hierzue bedarf es zunächst einer eingehenden Analyse des Unterstützungskommandos und seines Einsatzverhaltens als Hauptteil der Facharbeit. |
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2. Das Unterstützungskommando2.1 Entstehungsgeschichte und Bildung des USK2.1.1 Einsatz des EbLT in WackersdorfUm die Entstehungsgeschichte des USK chronologisch zu dokumentieren, muß ca. ein halbes Jahr weiter zurückgegangen werden als bis zur eigentlichen "Geburtsstunde", am 03.02.88, als Dr.Peter Gauweiler, damaliger Staatssekretär im bayerischen Innenministerium, seine "Greiftruppe" [2] erstmals der Öffentlichkeit präsentierte. Eine nicht unwesentliche Rolle bei der Entstehungsgeschichte des USK spielen Berliner Einsatztrupps mit etwa demselben Konzept wie das des späteren USK. Am 10.10.87, nur wenige Wochen vor den ersten Pressemitteilungen Peter Gauweilers über die geplante Bildung von Sondereinheiten für Demonstrationen, wird ein Teil der Berliner Sondereinheit EbLT (Einsatzbereitschaft für besondere Lagen und einsatzbezogenes Training) in Wackersdorf und Schwandorf eingesetzt. Am 30.10.87 setzt die bayerische SPD-Landtagsfraktion eine Anhörung wegen der polizeilichen Übergriffe im Münchner Maximilianeum an, bei der Augenzeugen und Betroffene dieses Einsatzes ein besonders brutales Vorgehen der "Berliner" kritisieren [3]. Gerhard Vogler, Landesvorsitzender der bayerischen Polizeigewerkschaft, äußert sich in einem Redaktionsgespräch der "Mittelbayerischen Zeitung" zu dem Einsatz: "(Die Berliner...) ...seien hart vorgegangen, aber im Rahmen des geltenden Rechts"[4] 2.1.2 Briefwechsel zwischen Vogler und GauweilerVogler erinnert in diesem Interview an einen Brief vom 23.02.87 an Gauweiler, in dem er die Schaffung einer mobilen Eingreiftruppe der bayerischen Bereitschaftspolizei fordert. Im Antwortschreiben vom 15.07.87 habe Gauweiler sinngemäß geantwortet, daß jede Einheit der bayerischen Bereitschaftspolizei in der Lage sein müsse, effektive Zugriffe durchzuführen [5]. 2.1.3 Pressekonferenz Gauweilers am 05.11.87Trotz seiner Aussage scheint Gauweiler seit dem 15.07.87 seine Meinung über die Notwendigkeit einer solchen Eingreiftruppe bis zum 05.11.87, als er in einer Pressekonferenz erstmalig die Aufstellung von Sondereinheiten im Rahmen von vier- bis fünfhundert Mann bekanntgibt, geändert zu haben.5 Dies mag sicherlich seinen Anstoß in den Polizistenmorden an der Startbahn-West am 02.11.87 gefunden haben. Jedenfalls nennt auch heute noch das bayerische Innenministerium diese als Anlaß zur Gründung des USK [so z.B. in der Pressemitteilung vom 21.09.94 zum Thema "USK - unverzichtbarer Bestandteil des Bayerischen Sicherheitskonzepts"]. Gauweiler teilt in der Pressekonferenz vom 05.11.87 jedoch auch mit, daß diese Einheiten bereits innerhalb von zwei Wochen aufgestellt sein sollen, wenn auch zunächst im kleineren Umfang von 120 Mann. Daher muß angenommen werden, daß die Pläne zur Organisation des USK bereits einige Zeit vorher erarbeitet wurden, da sich die gesamte Einrichtung und Organisation einer solchen Einheit wohl nicht innerhalb von zwei Wochen bewerkstelligen läßt. Hierfür spricht auch, daß Gauweiler seine Pressekonferenz bereits am 05.11.87 abhält, ohne die Ergebnisse der Innenministerkonferenz vom 06.11.87 abzuwarten, die sich auf Bundesebene über das polizeiliche Vorgehen nach den Startbahn-West-Schüssen am 02.11.87 erst noch beraten wollte. Vor allem aber etatisierte das StMI die Aufstellung einer 3. Einsatzhundertschaft beim Polizeipräsidium München bereits im Sommer 87, wenn auch zunächst nicht unter dem Namen USK.
2.1.4 Informationsreise von Vertretern des StMI nach BerlinBereits am 09.11.87 reisen "leitende Herren" des StMI nach Berlin, "(...) um Erkenntnisse über die dort seit kurzem bestehenden Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (EbLT Anm.d.Verf.) zu gewinnen. Mit den Erfahrungen aus Frankfurt und Berlin sollten die bayerischen Einheiten nach eigenem bewährten Zuschnitt aufgebaut werden." [6] 2.1.5 Interview mit Dr. Peter Gauweiler am 24.11.87Drei Wochen später, am 24.11.87, wird ein Interview mit Peter Gauweiler veröffentlicht, in dem er bereits genaue Aussagen über Strukturierung, Ausbildung und Ausrüstung sowie strategisches Vorgehen des USK trifft. Dieses soll " (...) nach dem Vorbild der sogenannten Überfallkommandos der Nachkriegszeit operieren (...)" [7] Gauweilers Vorstellungen über die Form des USK haben sich, vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, bewahrheitet. 2.1.6 Pressevorführung des USK durch Gauweiler am 03.02.88Bis zum 03.02.88 wartet Gauweiler schließlich mit der endgültigen Präsentation für die Presse, obwohl das USK zu diesem Zeitpunkt bereits mehrmals in Wackersdorf bereitgestellt worden ist [8]. Er betreibt hierzu großen Aufwand, läßt Journalisten in polizeilichen VW-Bussen zum Flugplatz der Grenzschutzfliegerstaffel in Oberschleißheim anfahren, die bereits auf dem Weg dorthin durch - von Mitgliedern des USK dargestellte - "Demonstranten" angegriffen werden. "Wir wollten Ihnen mal vermitteln, wie sich Polizisten fühlen, die bei einer Großdemonstration im Einsatz sind und schon bei der Anfahrt von Gewalttätern attackiert werden", erläutert Gauweiler den Journalisten [9]. Später, auf der gespielten Demonstration tragen die "gewalttätigen Demonstranten" Schilder mit den Aufschriften " Wir kommen vom Mars - Und Ihr? ", "Wir sind gegen Alles!" und steigern durch Ausrufe wie "Wir wollen keine Bullenschweine!" das Gewaltpotential [10].
Wenige Tage später kommt das USK zum ersten Mal medienwirksam in Wackersdorf am 14.02.88 zum Einsatz. Dieser beschränkt sich jedoch auf die Bereitstellung [15].
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2.2 Strukturierung des USK2.2.1 Eingliederung innerhalb der bayerischen PolizeiDas USK ist zum Teil der bayerischen Bereitschaftspolizei (BePo) untergeordenet, teilweise den Landespolizeipräsidien. Innerhalb der Bereitschaftspolizei bestehen in Bayern zur Zeit jeweils eine Hundertschaft des USK in der VI. Abteilung (Standort Dachau), eine Hundertschaft in der IV. Abteilung (Standort Nürnberg) sowie ein Zug des USK (Teil einer Hundertschaft) in der III. Bereitschaftspolizeiabteilung (Standort Würzburg). Innerhalb der Landespolizei (LaPo) bestehen eine Hundertschaft im Bereich des Polizeipräsidiums München und vier USK-Züge innerhalb des Polizeipräsidiums Mittelfranken [16]. Um die Auswirkungen der Unterscheidung im Organisationsbereich zu erkennen, muß näher auf die Aufgaben von Landes- bzw. Bereitschaftspolizei eingegangen werden. Die Präsidien, in die sich die Landespolizei u.a. unterteilt, sind nämlich unmittelbar dem Staatsministerium des Innern nachgeordnet[17]. Das USK im Rahmen der LaPo ist dagegen unmittelbar dem jeweiligen Polizeipräsidium unterstellt, womit eine Verantwortlichkeit für das Vorgehen auf Einsätzen in erster Linie natürlich beim Polizeipräsidenten des jeweiligen Präsidiums liegt, aber keine direkte Steuerung durch das StMI, bzw. durch den Staatsminister des Innern möglich ist. Anders bei der BePo: Hier ist für den Einsatz grundsätzlich die direkte Weisung des StMI erforderlich. Das kann natürlich auch eine unmittelbare politische Steuerung ermöglichen, wobei jedoch hier in erster Linie der Staatsminister des Innern die Verantwortung trägt. Hiermit ist eine Zweischienigkeit in der Organisationsstruktur gegeben, die einerseits die Verantwortung der federführenden Politiker möglichst gering hält, auf der anderen Seite Möglichkeiten zur politischen Steuerung beinhaltet. 2.2.2 Innere StrukturierungDie innere Struktur einer Hundertschaft des USK ist hierarchisch aufgebaut. Dem Hundertschaftsführer, dem, sofern nur seine eigene Hundertschaft zum Einsatz kommt, auch die Einsatzleitung zusteht, ist sein Vertreter nachgeordnet. Mit der Einsatzleitung bei geschlossenen Einsätzen ist auch die Verantwortlichkeit für die Vorgehensweise der einzelnen Beamten verbunden, d.h., daß bei geschlossenen Einsätzen der einzelne Polizist weder zur Informationen über das Vorgehen und noch nicht einmal zur Namensnennung verpflichtet ist. Er kann dann grundsätzlich auf den Einsatzleiter verweisen[18]. Insofern gestaltet sich die justitielle Verfolgung von einzelnen Gewalttätern auf Seiten der Polizei oft sehr schwierig [19]. Neben den einzelnen Zügen innerhalb einer Hundertschaft besteht auch der Hundertschaftstrupp, der für die Versorgung mit Ausrüstung verantwortlich ist. Er gliedert sich in den Brandschutztrupp, den Technik- und Versorgungstrupp und den sog. Sonderwagentrupp. Die Stärke des Hundertschafttrupps ist im Vergleich zu den einzelnen Zügen jedoch sehr gering. Eine Hundertschaft besteht aus drei Zügen, die sich jeweils wieder in Zugriffstrupp (Hauptteil), Beweissicherungstrupp (Kameraführung), Aufklärer und Sicherer untergliedern. Jeder Zug wird wiederum durch eigenes Führungs-personal geleitet. Die Gesamtstärke der Hundertschaft des "ZD3" in München beläuft sich auf 120 Mann [20]. Zur Zeit finden ca. 450 Beamte der bayerischen Polizei in USK-Einheiten Verwendung [21].
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2.3 Auswahlverfahren, Ausbildung und Ausrüstung, taktische Grundlagen2.3.1 Auswahlverfahren zur AufnahmeErst kürzlich gab es eine Stellenausschreibung für das "ZD3", des Münchner USK, zur Deckung eines höheren Personalbedarfs. Deshalb fand am 16.01.95 ein Auswahltest und -gespräch für Bewerber am Sitz der 3. Hundertschaft der Zentralen Dienste, in der Bad-Schachener-Straße statt [22]. Als allgemeine Anforderungen wurden insbesondere "Entschlossenheit und Besonnenheit, geistige und körperliche Reaktionsschnelligkeit, ein Höchstmaß an Einsatz-bereitschaft, [sowie, 23] charakterliche Festigkeit und Streßstabilität" vorausgesetzt. Das Auswahlverfahren bestand aus der Überprüfung von "körperlicher Leistungsfähigkeit" und von "Schießfertigkeit" sowie einem "Anschlußgespräch vor einer Auswahlkommision"[24].
Z.B. liegt der Verdienst eines 23jährigen Polizeimeisters (Realschulabschluß, in der Regel dreijährige Ausbildung auf einer Polizeischule, unverheiratet, keine Kinder, Führerschein) inclusive aller Zulagen und Ortszuschläge bei rund 2750;- DM netto [26]. Ein gleichaltriger Müllwerker des selben Familienstands, aber ohne Ausbildung verdient samt Schmutzzulage 2159;-DM netto [27]. 2.3.2 Taktische, kampftechnische, psychologische und ideologische AusbildungDie Ausbildung des USK ist genau auf dessen Aufgabenstellung ausgerichtet. Ausbildungs- und Trainingsinhalte sind grob gegliedert: "Festnahmetaktik und -technik, Rechtskunde, insbesondere Grenzen der rechtlichen Möglichkeiten (beim Zugriff Anm.des Verfassers), Psychologie, Täterverhalten sowie Schieß- und Waffentraining [28]. Im Rahmen der Ausbildung werden aber auch ideologische Strukturen vermittelt. So wird beispielsweise das "Täterverhalten" in manöverähnlichen Trainingsabschnitten, die der Pressevorführung des USK durch Gauweiler sehr ähnlich sind, anhand linker Demonstranten, "Typen von der Struktur eines Andreas Eichler" (Gauweiler, [29]) , vermittelt. Damit wird dem einzelnen USK-Beamten bereits in der Ausbildung klargemacht, daß sich seine zukünftige Gegenseite `links` befindet. Auch die Formulierung "Rechtskunde, insbesondere Grenzen der rechtlichen Möglichkeiten" steht für die in der Ausbildung weitergegebene Taktik, möglichst nahe am Grat der rechtlichen Möglichkeiten zu wandern. Auf diese Ausbildung wird großer Wert gelegt; sie nimmt nach der zweiwöchigen, kasernierten Grundausbildung etwa ein Drittel des Dienstplans, also zwölf Stunden wöchentlich, ein [30]. Dabei überwiegt die sportliche Ausbildung (Kampfsport, allgemeiner Sport) und die Schießübungen gegenüber der theoretischen Ausbildung im Verhältnis 5:1. Die grundlegende Taktik des USK, nämlich der "Angriff" (s.Zitat Riegers zur grundlegenden Taktik weiter unten), spiegelt sich also auch im Schwerpunkt der Ausbildung wider. Zu den manöverähnlichen Ausbildungsaspekten und zur Disziplinierung von geschlossenen Einheiten schreibt Polizeidirektor Bernd Walter : "Wurden ursprünglich die taktischen »Wald- und Wiesenspiele der geschlossenen Einheiten (...) als liebgewordene Relikte altgedienter Polizeiführer der Bereitschaftspolizei toleriert, gewannen sie über Nacht in den ausgedehnten Waldgebieten um Gorleben und Wackersdorf beklemmende Aktualität. Erblasten aus der Geschichte der Polizeien des Bundes und der Länder bekamen wieder einen handfesten Stellenwert: Einsatzküchen, geländegängige Fahrzeuge, (Bestandteil der besonderen Ausrüstung des USK Anm.d.Verf.) (...) selbst der Drill als durchaus legitime Methode der Ausbildung an Führungs und Einsatzmitteln."[31]. Die zusätzliche psychologische Unterrichtung durch die zentralen psychologischen Dienste spielt, zumindest vor der Pressevorführung Gauweilers, eine eher untergeordnete Rolle [32]. Auf die Frage, was die besondere psychologische Ausbildung darstelle, konnten vom Verfasser auch keine konkreten Aussagen in den von der Polizei zur Verfügung gestellten Materialien gefunden werden. Die Antwort auf diese Frage scheint aber auch nicht von besonderer Bedeutung. Zumindest weiß Gauweiler sie am 03.02.88 selbst nicht so recht und antwortet ausweichend : "In Sachen psychologischer Ausbildung werde man wohl noch `eine eigene Vorführung` haben" [33]. 2.3.5 Ausrüstung sowie passive und aktive BewaffnungGenauso wie die Ausbildung ist auch die Ausrüstung auf die besonderen Anforderungen des USK zugeschnitten. Die Ausrüstung, die äußerlich zu sehen ist, unterscheidet sich stark von der sonstiger, demonstrationsspezifischer Einsatzkommandos, wie z.B. der des EbLT in Berlin. Dies liegt an einer anderen, neuartigen taktischen Grundlage des USK. So ist in einem Artikel von Polizeihauptkommissar Georg Rieger in der "Münchner Polizei von 1988 diesbezüglich zu lesen:
" Die USK wenden sich vom statischen Einsatz weitgehendst ab und gehen grundsätzlich offensiv vor; sie lassen sich nicht in defensive Positionen drängen. Um diese taktische Grundlage des Angriffs durchzuführen, kann natürlich nicht mit Distanzmitteln gearbeitet werden. So finden zum Beispiel typische Distanzwaffen, wie Gummigeschosse oder Tränengas, obwohl diese [nur, [34] in Bayern für die Polizei erlaubt sind, beim USK keine Verwendung. Vielmehr ist für den direkten "Angriff" der hautnahe Kontakt zum Störer erforderlich. Des weiteren mußte ein Vergleich mit dem martalischen, in der Öffentlichkeit damals stark kritisierten Auftreten der Berliner EbLT vermieden werden.
Diese Waffe läßt sich vielfältigst anwenden und benötigt immer eine geringe Distanz zum Schlagobjekt. Damit hat sie gegenüber den früheren, langen Schlagstöcken, neben der Anwendung mit verschiedenen, schmerzhaften Grifftechniken den Vorteil, daß ihr Einsatz für außenstehende Beobachter kaum sichtbar ist. Darüber hinaus sind mit dem Bonowi Stoßtechniken möglich, die auch innere Verletzungen im Magen- und Nierenberich hervorrufen können, die trotz ihrer hohen Effizienz äußerlich aber nicht erkennbar sind. So kommen dann vermutlich auch Aussagen von Polizeipräsident Koller zustande, nach denen in Zeitungsphotos, die die polizeilichen Übergriffe des USK auf dem WWG in München dokumentieren, Beobachtern zwar schmerzverzerrte Gesichter sauer aufgestoßen seien, bei genauerem Hinsehen jedoch nicht erkennbar wäre, was die Schmerzen verursacht hätte. Kollers Fazit: "Die schauspielhafte, theatralische Leistung ist bewundernswert" [37]. Daß diese Aussage darüberhinaus nicht einmal richtig ist, beweist das Photo auf der Titelseite der FA vom 07.07.92 aus der Münchner Abendzeitung. Die Voraussetzung für den Einsatzerfolg, "ein schnelles, schlagartiges Überbrücken der Distanz zum Störer (...)" [38], steht einer passiven Bewaffnung jedoch nicht im Wege, obwohl diese bei den davor üblichen demonstrationsspezifischen Einheiten zu einer verringerten Mobilität führte. Zur serienmäßigen Ausstattung bei der passiven Bewaffnung gehört deshalb die bis zum Kaliber von 9mm schußsichere Weste ebenso, wie Knie- Arm- und Schienbeinschoner, die jedoch unter dem schwer entflammbaren, olivgrünen Overall getragen werden. Eine derartige passive Ausrüstung, insbesondere Schlagschutzausrüstung, ist den TeilnehmerInnen von Demonstrationen verboten. Besondere Erwähnung verdient jedoch auch noch die vom Dokumentationstrupp mitgeführte Video-Ausrüstung, die durch besondere Installationen in Einsatzwägen direkt am Ort ausgewertet werden kann. So können aktuelle Fahndungsbilder erstellt werden. Sie dient einerseits der Dokumentation von Gewalttaten, andererseits der Auswertung und Analyse des eigenen Vorgehens durch die USK-Kräfte. Auf einer Demonstration am 16.11.91 auf dem Jakobsplatz konnte ich beobachten, wie solche Fahndungsphotos der Greifung eines Mannes dienten, der kurz darauf hinter mehreren Wannen [39], die zur schlechteren Einsicht im Karree aufgestellt worden waren, von mehreren USK-Beamten mit dem "Rettungsmehrzweckstock" mehrmals auf Rücken und Kopf geschlagen wurde. Die Videoerfassung spielt daher beim direkten Einsatz nicht gerade eine untergeordnete Rolle und kann durchaus als effizientes Mittel bei der Verfolgung von Gewalttätern gesehen werden; leider nur nicht für diejenigen, die sich auf Seiten der Polizei befinden. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Aussage von Sigfried Krempl, Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer PolizistInnen in einem Interview vom 05.01.95 auf die Frage, inwieweit Anfragen über einzelne Personen von Seiten der verschiedenen Polizeiabteilungen beim Verfassungsschutz in der Praxis üblich sind: "Das wird mit Sicherheit getätigt, weil es ja auch bei der Polizei die Staatsschutzabteilung gibt, die ja in der Regel mit dem Verfassungsschutz schon fast konkurriert. Es findet ja auch eine Aufgabenüberschneidung statt. Die Konzeption des VS ist ja die Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen, und alles was mit Staatsschutzdelikten zu tun hat, kann natürlich auch verfassungsfeindlich sein. (...) Von der Definition ist dies natürlich auch bewußt etwas schwammig gehalten. Der VS strebt ja permanent nach neuen Aufgaben; sie wollen ja auch die Bekämpfung der organisierten Kriminalität übernehmen. (...) Insofern ist es also durchaus möglich, daß sich das Polizeipräsidium mit dem VS mal kurz abspricht" [40].
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2.4 Rückblick auf das EinsatzgeschehenWegen der Fülle von Einsätzen des USK von der Bildung zum Jahreswechsel 87/88 bis heute ist es nicht möglich, im Rahmen einer Facharbeit einen umfassenden chronologischen Überblick zu geben. Deshalb soll versucht werden, charakteristische Einsätze nach dem Verhältnis des Aufgabenbereiches des USK, also hauptsächlich demonstrationsspezifische Einsätze, chronologisch zu gliedern und auf diese genauer einzugehen. 2.4.1 Einsatz bei der Demonstration am 14.10.88 in WackersdorfDie ersten größeren Einsätze des USK nach der Gründung erfolgten in Wackersdorf im Herbst 1988, da damals nach einer Demonstrationspause wieder Großveranstaltungen stattfanden. Hier sticht besonders ein Einsatz hervor, der nach einer Großkundgebung am 14.10.1988 stattfand. Nach der Kundgebung zog ein Demonstrationszug in Richtung Bauzaun des Geländes der Wiederaufbereitungsanlage. Diese Route und auch die Demonstration direkt am Bauzaun war erstmals nach zweieinhalb Jahren, polizeilich genehmigt: " Das sonst übliche Polizeiaufgebot fehlte diesmal und der Zug verlief völlig friedlich, bis es auf dem Rückweg zu einem Zwischenfall kam. Plötzlich marschierte eine Gruppe Neonazis provokativ mitten durch die Demonstration. (...) Rein zufällig hatte sich die neue Sondereinsatztruppe der bayerischen Polizei genau an der Stelle des Geschehens im Wald versammelt. (...) Das versammelte Sondereinsatzkommando fiel sofort über zwei Demonstranten her. Auf einen der Jugendlichen stürzten sich gleich fünf Mann, warfen ihn zu Boden, nahmen die beiden fest und schleppten sie durch den Wald in Richtung Bauzaun" [41]. Aus diesem Artikel geht weiter hervor, daß das USK offensichtlich nach einem Einsatzgrund gesucht, ihn evtl. sogar provoziert hätte. Als das USK aus dem Wald heranstürmte, waren die Neonazis bereits aus dem Demonstrationszug ausgeschert. Somit war keine Eskalationsgefahr mehr gegeben, die ein Einschreiten legitimiert hätte. Dies belegt auch dem Artikel beigefügtes Bildmaterial. Im Verlauf der Einsätze des Jahres 1988 bestätigen sich für das linke Spektrum die Befürchtungen um die Rolle des USK. So wird in der RadiAktiv vom Juni 1989 in einem Artikel über eine Demonstration vom 16.9.1988 gegen den internationalen Währungsfonds und die Weltbank, bei der das USK eingesetzt wurde und bei der Abschlußkundgebung den alleinigen Einsatzbefehl übernahm, über die politische Rolle des USK geschrieben: "Die neue Taktik des Innen- ministeriums im Bezug auf Konfrontation und Provokation heißt wohl Unterstützungskommando." 2.4.2 Einsatz innerhalb des Streifendienstes am 14.12.89Zu den Aufgaben eines USK-Beamten gehören aber nicht nur demonstrations-spezifische, geschlossene Einsätze. Im Einzeldienst kann er auch zum normalen Streifendienst herangezogen werden. In der Praxis wird der Streifendienst jedoch vom USK selbst konzeptioniert [42]. In der Nacht vom 14.auf 15. Dezember 1989 fährt ein 36jähriger Jurist nach einem Fest angetrunken durch die Paul-Heyse-Unterführung in München mit einem unbeleuchteten Fahrrad nach Hause. In der Mitte der Unterführung fährt ein polizeilicher VW-Bus von der Seite heran und hält ihn auf. Vier Beamte (des USK, wie sich später herausstellte) springen mit den Worten "Ausweis herzeigen!" aus dem Bus. Auf die Frage nach dem Grund erfährt der Radfahrer eine schmerzhafte Behandlung: er wird ohne weiteren Hinweis zu Boden geworfen; ein USK-Beamter kniet sich auf seinen Rücken und biegt beide Armgelenke nach hinten. Hierbei reißt ein Schulterband, und das Ellbogengelenk wird angebrochen. Danach wird er gefesselt und in die Polizeiwache Beethovenstraße gebracht. Der Jurist verlangt in der Polizeiwache erneut Auskunft über die Gründe des gewalttätigen Vorgehens und wird daraufhin, mit auf den Rücken gebundenen Händen, nach vorne geschubst. Dabei fällt er aufs Gesicht und zieht sich eine Platzwunde am Kopf zu. Der Schulterbandriß konnte danach nicht behoben werden: Der Arm läßt sich bis heute nicht vollständig beugen [43]. 2.4.3 Einsatz bei der Demonstration am 16.11.91 in MünchenIm November 1991, zu der Zeit, als Republikaner und ähnliche rechtsradikale Parteien drauf und dran waren, ihre gesellschaftliche Akzeptanz und damit den politischen Einzug in die Parlamente zu festigen, kam es zu einer Demonstration der REPs in München, die sich u.a. gegen die "Diffamierung in den Medien" richtete. Das Bündnis gegen Rassismus, aber auch das evangelische Dekanat München, riefen zu einer Gegendemonstration auf dem Jakobsplatz am 16.11.91 auf, an der auch der Autor selbst teilnahm. Die Beschreibung der Vorgehensweise des USK, um die angemeldete und genehmigte Demonstration der REPs zu ermöglichen und zu schützen, stützen sich daher weitestgehend auf eigene Beobachtungen [44]. Nachdem sich mehrere Hundert Anhänger der REPs am Jakobsplatz eingefunden hatten, wurde durch eine Hundertschaft des USK, vermutlich die Münchner Einheit "ZD3" (s.Strukturierung des USK), eine Gasse durch die Gegendendemonstranten gebildet, um die Anfahrt von Franz Schönhuber, damaliger Vorsitzender der Republikaner, zu ermöglichen. Den Versuch etwaiger Übergriffe auf das Fahrzeug von Herrn Schönhuber oder auf Demonstranten der Republikaner konnte ich nicht beobachten. Trotzdem wurde, nachdem eine Sitzblockade, die den Auszug der REPs aus dem Jakobsplatz verhindern sollte, gewalttätig durch das USK aufgelöst worden war, die Ansammlung von Gegendemonstranten eingekesselt. Bei der Auflösung der Sitzblockade konnte ich beobachten, wie eine schwangere Frau, Mitte dreißig, die, meines Erachtens gezielt, als erste aufgefordert wurde, die Blockade zu räumen, nicht durch ein bloßes Wegtragen, sondern durch mehrmalige Tritte in den Bauchbereich durch zwei USK-Beamte "weggeschafft" wurde. Nach der Auflösung der friedlichen Sitzblockade wurde der Kessel zugezogen, d.h., daß Gegendemonstranten das freiwillige Verlassen der Demonstration verwehrt wurde. Um zu vermeiden, in von mir erwartete gewalttätige Übergriffe (Kommando "Knüppel frei!") seitens des USK ohne Fluchtmöglichkeit einbezogen zu werden, stellte ich mich so, daß ich jenseits der sich zuziehenden Polizeikette stand. Als die Republikaner unter dem Schutz des USK ihren Demonstrationszug durch die gesamte Innenstadt begannen, beteiligte ich mich an Sprechchören. Ein ca. zehn Meter entfernt stehender USK-Beamter aus der Polizeikette hörte dies, ging auf mich zu, ergriff mich ohne jegliche Begründung oder Aufforderung, in den Kessel zurückzutreten, und warf mich über die Polizeikette hinweg auf das Kopfsteinpflaster. Nachdem mir zwei Demonstrations-teilnehmerInnen aufhalfen, fragte ich nach einer Begründung für dieses Vorgehen, was aber unbeantwortet blieb. Daraufhin wollte ich Namen und Dienststelle des Beamten erfragen; als Antwort erhielt ich einen gezielten Stoß mit der Tonfa in den Magen.
2.4.4 Einsatz bei einer Veranstaltung gegen den WWG am 04.05.92Im Rahmen des Weltwirtschaftsgipfels der G-7 Staaten in München im Sommer 1992 fanden bereits im Vorfeld verschiedene Veranstaltungen "gegen die herrschende Weltordnung" im Frühjahr statt. Das bayerische Innenministerium sprach damals bezüglich des WWG von der "(...) größten Herausforderung für die Sicherheitskräfte seit der Olympiade 1972" [46]. Mit dieser Aussage sollten offenbar Assoziationen zum damaligen Anschlag auf die israelitische Mannschaft hergestellt werden, die wohl von vornherein einen hohen Sichhereitsaufwand und ein hartes Vorgehen der Polizei rechtfertigen sollten. Am 04.05.92 fand im Haidhausener Bürgersaal eine Veranstaltung unter dem Motto "Gegen die herrschende Weltordnung, 500 Jahre sind zuviel! Gemeinsam gegen den Weltwirtschaftsgipfel in München" statt, die, nachdem es zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem Veranstalter und zwei Beamten des Polizeipräsidiums München über deren Aufenthaltsrecht kam, durch die Münchner Hundertschaft "ZD3" des USK mit einem Schlagstockeinsatz beendet wurde. Bereits im Vorfeld des WWG wurde die Polizei durch diesen Einsatz herber Pressekritik ausgesetzt: da die TeilnehmerInnen der Veranstaltung eine Neufassung des Pippi - Langstrumpf Liedes einspielten, eine Satire der Kölner Kabarett-Gruppe `Heiter bis Wolkig`. 2.4.5 Einsatz beim Gegenkongreß zum WWG am 03.07.92Beim `Internationalen Kongreß gegen den Weltwirtschaftsgipfel` vom 03.07. bis 05.07.92 bedarf das USK anscheinend keines Einsatzauftrages mehr, an den es sonst gebunden ist. Bei einem Einsatz am 03.07.92 kommt es nämlich zu Meinungs-verschiedenheiten zwischen dem Einsatzleiter der `regulären`Polizei, PD Josef Wiedorfer, und den Polizisten des USK: "Nachdem Differenzen zwischen den Einheiten von seiten der Polizei zunächst bestritten worden waren, gab später ein Polizeisprecher gegenüber der SZ zu, das USK sei nicht von der Einsatzleitung angefordert worden, sondern nach Lagebeurteilung oder durch einen `Übermittelungsfehler`selbständig in Erscheinung getreten" [47]. Auf die polizeilichen Übergriffe beim Weltwirtschaftsgipfel selbst, insbesondere bei der Begrüßung der Staatsgäste vor der Staatsresidenz, soll nicht näher eingegangen werden, da diese wohl aus der erstmals sehr kritischen Presseberichterstattung hinlänglich bekannt sind, und das den Rahmen sprengen würde. Deshalb nur ein auszugsweiser Blick auf die Presseartikel und Landtagsprotokolle bezüglich des Einsatzes: 2.4.6 Presseberichte über Einsätze beim WWG selbst am 04.07.92Aus dem Gedächtnisprotokoll von Michael K. über die Vorfälle auf der Demonstration am Samstag, 4.Juli : "Einige Meter vor der Kreuzung (...) sammeln sich rechts vom Demonstrationszug mehrere USK-Beamte an, die sofort grundlos mit Schlagstöcken in die Demonstration hineinprügeln. Innerhalb kürzester Zeit haben sich die USK-Beamten (...) bis zu mir durchgeschlagen. Zwei Polizisten werfen mich und den Mann neben mir, an den ich angehakt war, zu Boden. Nach mehreren Schlägen mit dem Knüppel auf meinen linken Arm zerren mich die beiden Beamten zur linken Straßenseite. Jetzt werde ich mit dem Gesicht voran auf den Boden geworfen. Ein USK-Beamter tritt mit dem Fuß meinen Kopf auf den Gehsteig. Zwei weitere USK-Beamte knüppeln währenddessen auf meinen Rücken. Dann werden mir die Arme auf dem Rücken verrenkt. (...) Der mich festnehmende Beamte Schlegel wird dort (in der Ettstraße, Anm.d.Verf.) von seinen Kollegen folgendermaßen begrüßt: »Schlegel du läßt nach, der (bezogen auf mich) geht ja noch!« [48]. "Der Bericht zeigt beispielhaft für unzählige andere die Willkür und Brutalität, mit der USKler vorgehen, und wie wenig sie sich um gesetzliche Vorschriften zu scheren brauchen." [49] «.
Reaktionen der Presse:
"Daß ein Pfiff oder Buh-Ruf ausreicht, um im Polizeigriff abgeführt zu werden, hat nichts mit den Sicherheitsinteressen der Politiker zu tun" 2.4.7 S-Bahn-Patrouillen in den Jahren 1992/1993Im Dezember 1992 wird das USK auch zur Bewachung in U- und S-Bahn in München eingesetzt [50], die sonst nicht zu ihrem hauptsächlichen Aufgabengebiet zählt. Im Rahmen einer solchen Patrouille konnte ich beobachten, wie zwei USK-Beamte willkürlich eine Ausweiskontrolle an zwei Schwarzen vornahmen, die, neben vieler anderer Fahrgäste, auf einer Bank am Bahnsteig auf die Einfahrt der U-Bahn warteten. Obwohl die zwei durch nichts auf sich aufmerksam machten, abgesehen von ihrer Hautfarbe, gingen die zwei USK-Beamten direkt auf sie zu, unterzogen sie zunächst einer Ausweiskontrolle und nahmen sie dann mit, offenbar zur weiteren Personalienfeststellung. Des öfteren habe ich schon von widerrechtlichen Beschlagnahmungen der Ausweispapiere und Aufenthaltsgenehmigungen von AusländerInnen durch Polizei-Beamte im Zusammenhang mit den S- und U-Bahnpatrouillen gehört, die sich jedoch so gut wie nicht nachweisen lassen. 2.4.8 Einsatz auf der Demonstration am 31.05.93 in AschaffenburgWenige Tage nach dem Anschlag auf eine türkische Familie in Solingen fand in Aschaffenburg am 31.05.93 eine Demonstration gegen Rassismus statt, bei der das USK ebenfalls zum Einsatz kam. Außerdem wurden Polizeihunde eingesetzt. Mehrere Personen wurden verletzt, darunter eine junge Frau durch den Biß eines Polizeihundes. Das Vorgehen der USK Beamten wurde von vielen DemonstrationsteilnehmerInnen als provozierend und rücksichtslos empfunden; "ein Vertreter des Türkischen Volkshauses bezeichnete das Verhalten der Polizei als eine `Schweinerei`: anstatt Nichtdeutsche vor nazistischem Terror zu schützen gehe die Polizei mit großer Härte gegen trauernde TürkInnen vor und verletze deren Demonstrationsrecht" [51].
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3. Kritischer Ausblick3.1 SyntheseDie Fragestellung der Facharbeit, ob es sich beim USK um einen "unverzichtbaren Bestandteil des Bayerischen Sicherheitskonzeptes" [52] oder um eine "paramilitärische Schlägertruppe" handelt, soll nicht unbeantwortet bleiben, sondern aus der eingehenden Analyse des USK in Punkt zwei beantwortet werden. Betrachtet man den Zeitpunkt der Bildung des USK, der, wie oben bewiesen, inhaltlich nicht bei den Startbahn-West-Schüssen, sondern beim politischen Widerstand gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf angesiedelt werden muß, so fällt auf, daß sich bereits die Intention der Bildung gegen politischen Widerstand im Allgemeinen richtet. Woher dieser Widerstand nach dem Weltverständnis von Gauweiler kommt, läßt sich, wie ja bereits geschehen, sehr gut aus der Pressevorführung des USK erkennen. Damit ist auch das genaue und klare Feindbild des USK definiert: `Punker und Chaoten`und `Linke im Allgemeinen`. Auch die o.g. `Zweigleisigkeit der Strukturierung`, aber besonders die, dem Innenministerium direkte Unterordnung läßt auf eine Funktion des USK als politisches Werkzeug schließen, um politischen Protest von vornherein mundtot zu machen. Diese Funktion verfehlt durchaus nicht ihre Wirkung und spiegelt sich auch in der in der Ausbildung und Ausrüstung, aber besonders in der grundlegenden Taktik des "Angriffs" wider: Durch die ständige hautnahe Präsenz, das martialische und aggressive Auftreten, also durch die direkte Androhung von Gewalt wird politischer Protest zum Risiko. Die Hauptfrage läßt sich wohl aber am besten durch den Rückblick auf das Einsatzgeschehen beantworten. Durch die exzessive brutalität baut sich natürlich gerade im linken Spektrum ein Mythos um das USK herum auf, der so mancheN schon zu der Überlegung treibt, ob ihr/ihm evtl. körperliche Schäden die Teilnahme an einer Demonstration als Ausdruck gelebter Demokratie wirklich wert sind. Ich habe das auch bei mir selbst schon erlebt. Am wichtigsten ist wohl das Erkennen dieser Strukturen und ihre gezielte Ausschaltung - zumindest im eigenen Kopf. Hierin liegt auch meine persönliche Kritik an der medialen Berichterstattung (auch der linksstehenden!) über Einsätze des USK: Die Gewaltexzesse werden zwar durchaus erkannt und auch teilweise treffend dargestellt (z.B. nach dem Einsatz auf dem Weltwirtschaftsgipfel), ein wirkliches Erkennen der Grundstrukturen, geschweige denn ihre Veranschaulichung konnte ich bis jetzt aber noch nicht finden. Dabei bleibt die wichtigste Aussage über das USK natürlich auch unerwähnt:
Daß die Gewaltexzesse des USK eben nicht hauptsächlich in der eigenen Verantwortung einzelner Beamten oder des USK als ganzem liegen, sondern in der der bayerischen Staatsregierung.
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